> | Fahrtechnik | > | Sollten Radfahrer nicht häufiger Blickkontakt aufnehmen? |
... etwa um sich zu vergewissern, daß ihnen ihre Vorfahrt auch tatsächlich gewährt wird.
Kurze Antwort: nein, das ist überflüssig. Es ist viel zu unzuverlässig, als daß man eine solche Forderung aufstellen sollte. Bisweilen ist es sogar schädlich.
Ja, z.B. in einer ADFC-Broschüre: "Suchen Sie Blickkontakt zu abbiegenden Autofahrern. Queren Sie erst, wenn Sie sicher sind, dass diese die Vorfahrt beachten."
Beim Abbiegen, immer dann, wenn der Radfahrer lt. StVO Vorrang oder Vorfahrt hat.
spiegelnde Autoscheiben, Sonnenbrillen, Blendung
Gegenempfehlung: Wegschauen, jedenfalls keinen Blickkontakt mit dem Fahrer suchen.
Anschauen hat sich in vielen Fällen als nachteilig herausgestellt, weil dann Autofahrer davon ausgehen, daß sie gesehen wurden und einfach weiter fahren. Richtig wäre: Das Fahrzeug zu beobachten, aber auf keinen Fall den Fahrer anzuschauen.
Suche besser beim Blick auf ein Auto diverse Bezugspunke wie andere Fahrstreifen, Markierungen oder Ränder, um Änderungen des Abstands zu beurteilen und die Intention eines Fahrers rechtzeitig zu erkennen zu können. Ein Blick auf die Vorderräder gibt meist mehr Aufschluß über die Intentionen des Fahrers als ein Blick in seine Augen!
Sei bremsbereit, vermindere aber Deine Geschwindigkeit nicht, werde im Zweifel sogar lieber noch etwas schneller und verlagere Deine Fahrlinie ganz leicht nach links, stelle also einen ausreichenden Sicherheitsabstand her. Mit anderen Worten: fahre deutlich. Dieses Signal wird im allgemeinen verstanden.
Generelle Empfehlung: fahre mit dem Rad so, wie Du in vergleichbarer Situation auch mit dem Auto fahren würdest. Nimmst Du, wenn Du mit dem Auto die Haupt- und Vorfahrtsstraße von A nach B befährst, mit jedem wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer links und rechts des Wegs Blickkontakt auf? Nein, das wäre ja absurd. Genau so absurd ist es, wenn man das als Radfahrer versucht. Erstens funktioniert es nicht, da man aufgrund von Spiegelungen, Türsäulen etc. häufig gar keinen Blickkontakt herstellen kann, zweitens steht meist gar nicht die Zeit dafür zur Verfügung, ausser man schleicht wie eine Schnecke, drittens sollte man auf die Fahrbahn vor sich, nicht in die Autos neben sich hineinschauen, viertens ist es langfristig schädlich, andere Verkehrsteilnehmer, vor allem aber die motorisierten, darauf zu trainieren, Augenkontakt zu erwarten.
Es gibt andere Fälle, seltener, aber sie kommen auch beim Radfahren vor, wo man als Wartepflichtiger "reingelassen" werden möchte. Auch da empfiehlt sich, mit dem Rad eine ähnliche Taktik wie mit dem Auto anzuwenden: durch das Fahrverhalten andeuten, daß man fahren möchte, also im richtigen Moment z.B. ein kurzes Stückchen vorrollen und dann Blickkontakt suchen. Aber nichts erzwingen (nicht einfach zufahren), sondern durch kurzeitiges Zögern andeuten, daß man durchaus auch noch warten würde. Das funktioniert nicht immer, aber erstaunlich oft. Es kann nicht schaden, sich dann im Weiterfahren mit einem kurzen Kopfnicken zu bedanken, sofern die Situation das zuläßt. Das ist höflich und verbessert das Verkehrsklima.
Zusammengefasst: der Empfehlung, sich als Radfahrer die Vorfahrt oder andere vergleichbare Rechte durch Blickkontakt zu sichern, wird die Empfehlung entgegengesetzt, dies bleiben zu lassen und sich an die üblichen Gepflogenheiten zu halten. Diese bestehen darin, Blickkontakt zu suchen, wenn von den geschriebenen Regeln abgewichen werden soll, sowohl als Bitte als auch als Bestätigung.
http://0x1a.de/rec/fahrrad/faq/fahrtechnik/blickkontakt/index.html
Wolfgang Strobl
Email: drffaq@mystrobl.de
1.0 2006-04-22