Jedes Jahr zur oder kurz vor der "Saure-Gurken-Zeit" füllen faule Redakteure die Zeitungsspalten mit reißerischen Berichten über radfahrende Rüpel, die "zu über 70% an ihren Unfällen selber schuld" sind, die nur durch bunte Narrenkappen vor dem sicheren Tod bewahrt werden können (als ob in den vergangenen hundert Jahren die Radfahrer wie die Fliegen gestorben wären), etc. pp.
Der Unsinn erschließt sich dem so veräppelten Leser meist nicht, er reimt sich aus dem Geschreibsel dann gern zusammen, daß nach Adam Riese die Gegenseite also nur zu 30% "selber schuld" sein kann. Richtig? Falsch. Unfälle von Radfahrern sind zu einem hohen Anteil Alleinunfälle oder Zusammenstöße mit anderen Radfahrern. Zählt man diese mit, kommt man automatisch zu solch hohen Prozentzahlen, auch dann, wenn bei Unfällen, bei denen die Gegenpartei ein anderes Verkehrsmittel nutzt, die Verteilung fifty/fifty ist, die Schuldwahrscheinlicheit also unabhängig vom Verkehrsmittel ist. Für Autofahrer käme man bei gleicher Zahlenakrobatik auf "Autofahrer sind zu über 90% an ihren Unfällen selber schuld". Aber hätte man jemals solch eine Schlagzeile reißerisch aufgemacht in der Zeitung gelesen, evtl. noch garniert mit einer Forderung nach Autohelmen?
Man könnte dies ja als "redaktionelle Beiträge sind doch eh nur noch dazu gut, die Lücken zwischen den Anzeigen nicht so trostlos aussehen zu lassen" abtun und zur Tagesordnung übergehen, merkte man nicht prompt als (all)täglicher Radfahrer die aus entsprechenden Hetzartikeln resultierenden blechbewehrten und manchmal lebensgefährlichen Erziehungsversuche in den nächsten Tagen auch auf der Straße.
Um das Prinzip zu verdeutlichen, oder um faulen Redakteuren die Arbeit noch ein wenig mehr zu erleichtern :-}, nachfolgend ein Formular, mit dem man sich das vorrechnen lassen kann.
Bitte ausfüllen.
und dort vor allem
[5]
'Von den insgesamt 78 678 "Fahrradunfällen" mit Personenschaden waren
15% Alleinunfälle. Bei 3,4% der Unfälle waren mindestens drei Verkehrsteilnehmer beteiligt
und bei 82% gab es nur einen weiteren Unfallbeteiligten (64 363). Auch hier war ein Pkw der
häufigste Unfallgegner (74%). Bei 8,6% war ein weiterer Radfahrer und bei 6,3% war ein
Fußgänger der Unfallgegner. Insgesamt galten 42% aller unfallbeteiligten Radfahrer als
Hauptverursacher eines Unfalls. Bei Unfällen mit Pkw war der Radfahrer nur zu 28% und
bei Unfällen mit Güterkraftfahrzeugen nur zu 22% der Hauptverursacher des Unfalls.
Besonders häufig trug der Radfahrer die Hauptschuld bei Unfällen mit Fußgängern, nämlich
zu 64%. Auch bei
Unfällen mit Motorrädern war der Radfahrer überdurchschnittlich häufig der
Hauptverursacher (zu 58%).'
Quelle: "Zweiradunfälle im Straßenverkehr 2005", Statistisches Bundesamt, Hervorhebung von mir
> ... dachte ich z. B. auch, als ich letzte Woche die Printversion der MZ > (Muenstersche Zeitung) las -- heute ist der Hetzartikel wortwoertlich > auf SPON (/passenderweise/ in der Outo-Rubrik) erschienen: ...